Geschichte
Ursprünge des Ordens der Minderbrüder
Der Orden der Minderbrüder (lat. Ordo fratrum minorum – OFM) wurde gegründet vom heiligen Franziskus von Assisi (1181 – 1226), nachdem Papst Innozenz III die Lebensweise der Brüder 1209 (1210) mündlich anerkannt hatte. Die endgültige Regel bestätigte Papst Gregor IX mit der Bulle Solet annuere vom 29. November 1223.
Die Minderbrüder in Litauen
Die ersten Minderbrüder kamen nach Litauen aus Riga, wo sie sich schon 1238 niedergelassen hatten. Man nimmt an, dass sie, zusammen mit Dominikanern, den litauischen König Mindaugas auf die Taufe vorbereiteten. Aber das war nicht die einzige Art, wie sie sich beteiligten am politischen „Spiel“ um Einfluss in Litauen. Jedenfalls hing schon ihre Anwesenheit in Riga zusammen mit ihren Beziehungen zu Erzbischof Albrecht, der grössere Unabhängigkeit gewinnen wollte vom livländischen Orden (z.B. mussten die Franziskaner in Altpreußen mit den Kreuzrittern zusammenarbeiten). Darum war der erste dem heute litauischen Territorium zugewiesene Bischof ein Franziskaner – Heinrich von Lützelburg, ernannt 1247 von Papst Innozenz IV und zum Bischof von Semgallen geweiht durch den Erzbischof von Riga. Sein Territorium umfasste nominell das Land zwischen den Flüssen Düna, Venta, Memel und Neris, auf welches der livländische Orden Ansprüche erhob. Vier Jahre später, 1251, wurde Semgallen an Riga angeschlossen, Heinrich wurde Bischof von Kurland, und im selben Jahr, am 17. Juli ernannte der Papst ihn und den Bischof von Ösel, den Dominikaner Heinrich, zu Beschützern des neu getauften Königs Mindaugas, und sie nahmen beide auch teil an der Krönungsfeier. Heinrich von Lützelburg blieb Bischof von Kurland bis zur Ermordung von Mindaugas 1263.
Bischof Heinrich von Lützelburg baute in Klaipeda die Michaelskirche und die Johanneskirche und elf weitere in der kurischen Region, aber nach der Taufe von König Mindaugas wurde als neuer Bischof von Litauen der Priester Christian vom Deutschen Orden eingesetzt und vom Erzbischof von Riga vereidigt.
Der Franziskaner Bischof Heinrich, zusammen mit den Franziskanern Heinrich (Guardian), Thomas, Adolf und Andreas, nahm auch teil an der Unterzeichnung der Urkunden über die Landschenkungen von König Mindaugas an den livländischen Orden 1253 und 1260.
Als spätere Folge der Zusammenarbeit zwischen dem Erzbischof von Riga und dem Großherzogtum Litauen wurde vorgeschlagen, Litauen zu taufen. 1298 erhielt der Erzbischof eine zustimmende Antwort und entsandte erneut Franziskaner und Dominikaner als Missionare. Unter der Regierung von Großherzog Vytenis liessen sich die Franziskaner 1312 fest in Vilnius nieder. Damals war der Franziskaner Friedrich von Pernstein (1304 – 1340) Erzbischof von Riga. Vielleicht darum wurden die Franziskaner auch Schreiber des litauischen Großherzogs Gediminas und ließen sich zudem nieder in Nowgorod.
Nachdem die Litauer offiziell die Taufe angenommen hatten (1387), waren auch die ersten beiden Bischöfe von Vilnius Franziskaner: Andreas I. Vasila (1388 – 1398) und Jakob Plichta (1398 – 1407), der letztere von litauischer Herkunft. Ungefähr in seinem zweiten Amtsjahr entstand auch das erste franziskanische Heiligtum in Kaunas – die Kirche von Mariä Himmelfahrt (auch Kirche Vytautas’ des Großen).
Die Minderbrüder Observanten (Bernardiner) in Litauen
Angehörige des Zweiges der Minderbrüder, Franziskaner Observanten, kamen 1468 nach Litauen, und zwar aus Polen. Dort hatten sie 1453 ein Kloster gegründet auf den Namen des eben kanonisierten heiligen Bernardin von Siena, eines der berühmtesten Prediger der Observanten. Mit bezug auf diesen Klosternamen wurden Minderbrüder dieses Ordenszweigs in Polen und in Litauen Bernardiner genannt. Es ist bekannt, dass die Observanten zuerst nach Kaunas kamen und erst ein Jahr später (1469) nach Vilnius, wo sie sich auch zum ersten Mal niederließen. Am Dreikönigsfest 1468 wählte in Warschau das Provinzkapitel der neu gegründeten polnischen Observanten (Bernardiner) eine Schar von Brüdern, die der Franziskaner Andrius Rey – der erste Obere der Observanten in Litauen – nach Litauen führen sollte.
Die Minderbrüder Observanten (Bernardiner) in Kaunas
Etwa um 1492 wurde in Kaunas begonnen mit dem Bau einer Kirche und eines Klosters aus Stein, die fertiggestellt wurden um 1504 (die Arbeiten organisierte der Guardian Alman). Im 17. Jahrhundert erlitten Kirche und Kloster drei Feuersbrünste (1603, 1624 und 1668).
Nach der Teilung des polnisch-litauischen Staates 1795 kam Kaunas unter die Herrschaft des russischen Zaren. Wegen Unterstützung des Aufstandes von 1831 gegen den Zaren wurde 1842 die litauische Bernardinerprovinz des heiligen Kasimir verboten, ebenso die Tätigkeit des Provinzials P. Dominikus Schukewitsch, und die Brüder wurden der Jurisdiktion des Bischofs unterstellt. Aber vollends liquidiert wurde die Provinz 1864, als alle andern Klöster geschlossen wurden und nur Kretinga übrigblieb.
Die Kirche des Franziskanerklosters Kaunas wurde 1842 dem Kaplan des Gymnasiums von Kaunas übergeben und die Klostergebäude dem Magistrat der Stadt. Aber es sind Dokumente erhalten, wonach auch 1843 im Kloster immer noch 9 Priester und 3 Brüder lebten, doch 1851 waren dort nur noch 8 Franziskaner. Es ist nicht bekannt, wann der letzte Bruder das Kloster verließ. Klar ist nur, dass 1864-1865 das bischöfliche Priesterseminar der Diözese Schemaitia in das Kloster übersiedelte.
Wiedererstehung von Kloster und Kirche
Nachdem Litauen (1990) die Unabhängigkeit errungen hatte, übernahm 1992 die Stadt Kaunas die Kirche, und 1993 wurden Schritte unternommen, um das Kloster wieder den litauischen Minderbrüdern zu übergeben, die nach dem Ende der Sowjetzeit aufs neue zu wirken begonnen hatten und 1995 ins Kloster zurückkehrten. Im ersten Obergeschoss des restaurierten Klosters, an der Stelle der frühesten gotischen Sakristei, wurde eine halb private Klosterkapelle eingerichtet. Erst nach 2005 übernahmen die Minderbrüder von der litauischen Ordensprovinz des hl. Kasimir auch wieder die Georgskirche. 2008, am Festtag des hl. Georg, des Kirchenpatrons und zweiten Patrons von Litauen, wurde ein provisorischer Altar geweiht, und seither halten die Brüder den Sonntagsgottesdienst in die Kirche.